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sentimental journey: DDR-Revival mit Soljanka

Soljanka aus dem Slowcooker

Soljanka aus dem Slowcooker
Ich bin zwar lupenreiner “Wessi”, aber manchmal wünsche ich mir die DDR zurück. Nicht, weil ich Anhängerin der Linken bin oder finde, dasses “drieben” besser war – nein, aus Sentimentalität. Und weil Schnuppschnüss Jutta beim aktuellen Blogevent “Sentimental Journey” genau solche Geschichte hören möchte, erzähle ich sie hier…

In meinen Teenie-Jahren in den 70ern verbrachte ich die Sommerferien üblicherweise bei Oma Anna “in der Ostzone”. Gelegentlich habe ich meine Klassenkollegen, die ins Sauerland-Lager oder nach Rimini fuhren, beneidet. Aber auch ich konnte mit tollen Urlaubserlebnissen aufwarten, die mancher Freundin vermutlich wie aus einer fremden Welt vorkamen: Die ganze Nacht durchgeschwoft bei der Dorfdisco im Gaststättensaal (verboten), nächtliche Rollertour mit der “Schwalbe” zum Baggersee (verboten), Ausflug in Geisterdörfer nahe des Braunkohlentagebaus (verboten), Ausflug in die “Hauptstadt der Republik” (für Wessis eigentlich auch ohne An- und Abmeldung bei der Polizei verboten). Shoppen hieß damals noch “einholen” oder “besorgen” und fand wahlweise gegen Devisen im Intershop (Ananas für die Bowle) oder gegen Ostmark (Wein und Schnaps für die Bowle) im Konsum statt. Mensch, meine Cousins und Cousinen – was konnten die feiern! Und wenn es nicht nur etwas zu trinken, sondern auch etwas zu essen gab, dann war das meist Soljanka. In diese säuerliche Suppe russischen Ursprungs kamen reichlich Fleisch- und Wurstreste und ordentliche Mengen Spreewaldgurken. Dazu gab’s Butterstulle (natürlich Graubrot) oder aufgebackene Schrippen – musste man die nicht schon eine Stunde nach Kauf aufbacken, weil sie so schnell zäh wurden? Dafür hatten sie Substanz und “hielten vor”…

Weitere warme kulinarische DDR-Erinnerungen hege ich für LPG-Torte mit Goldkrone-getränkten Butterkeksen unter einer Schokoschicht, Hefeklöße mit Blaubeerkompott, den “Schwedeneisbecher” der Cottbuser Milchbar (mit Apfelmus und Eierlikör), Grilletta und Goldbroiler (die Ost-Entsprechungen von Hamburger und Wienerwald-Hähnchen), Würzfleisch im teuren “Hotel Lausitz”, Omas “Frühkassee” mit wenig Huhn und viel Hackbällchen sowie sämtliche Hefe-Blechkuchen meiner Tante. Die backt sie natürlich auch heute noch – aber irgendwie schmeckten sie damals mit Sonja-Margarine und grobem Zucker irgendwie anders, eben wie der Osten 🙂

Blog-Event XXXVII - Sentimental journey - Essen angestaubt

========== REZKONV-Rezept – RezkonvSuite v1.1

Titel: Soljanka
Kategorien: Suppe, DDR, Retro
Menge: 6 Portionen

1 Essl. Öl
200 Gramm Schinkenspeck, geräuchert, gewürfelt
200 Gramm Jagdwurst, in Würfeln
400 Gramm Fleisch, gegart (vom Grillen, Schweinebraten)
4 Zwiebeln, fein gehackt
4 Paprikaschoten, rot, gewürfelt
1 Knoblauchzehe, zerdrückt
4 Gewürzgurken, groß, gewürfelt
150 Gramm Tomatenmark
2 Essl. Ketchup
1 Teel. Sambal Oelek
1 Lorbeerblatt
1 Ltr. Gemüsebrühe (aus Instant)
250 ml Gurkenbrühe

=========================== ZUM SERVIEREN ===========================
Saure Sahne
Gehackte Petersilie

============================== QUELLE ==============================
— Erfasst *RK* 11.08.2008 von
— Gabriele Frankemölle

Den Speck im Öl anbraten, die gewürfelten Zwiebeln dazu geben und
glasig werden lassen. Wurst- und Fleischwürfel mit andünsten, nach
einigen Minuten auch Paprika und Gurken. Tomatenmark, Ketchup, Brühe
und Gurkenbrühe dazu geben, alles mit Sambal Oelek und eventuell
Salz und Pfeffer abschmecken. Etwa 20 Minuten köcheln lassen.

Zuletzt die gehackte Petersilie einrühren und mit einem Klecks
saurer Sahne servieren.

Anm. Gabi: Soljanka schmeckt aufgewärmt noch besser. Es lassen sich
beliebige Fleisch- und Wurstreste verwenden, also auch Salami,
Wiener Würstchen, Hähnchenbrust. Einfach in mundgerechte Stückchen
schneiden und Würze entsprechend anpassen.

 

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9 Kommentare

  • Antworten
    rosa
    11. August 2008 at 21:01

    Lecker, Soljanka!

    Ich bin zwar Zonenrandkind, war aber erst nach ’89 das erste Mal in der DDR. In den damals noch sehr ostigen Gasthöfen (launisches Personal, lange Warteschlange, minimale Speisekarte) – hab mir immer Soljanka bestellt, wenn sie auf der Karte stand.

    In Russland wird Soljanka übrigens immer mit Zitronenscheibe drin serviert!

  • Antworten
    Gotorio
    11. August 2008 at 21:49

    Hach, Soljanka. Das ist in der Tat ein Gericht, das es viel zu selten in ordentlicher Qualität gibt. Erst recht nicht im Westen der Republik: Da gibt’s das gar nicht. Weshalb ich bei Reisen im Osten Soljanka in Großhandelsmengen verzehre.

  • Antworten
    Barbara
    12. August 2008 at 8:57

    Schön zu lesen! 🙂

    Soljanka mag ich total gerne: Im Osten habe ich mir immer welche bestellt, dies aber inzwischen aufgegeben, weil sie durch den West-Einfluss echt übel wurde. Ich sage nur: Gesüßte Sprühsahne!!! 🙁

  • Antworten
    Jutta
    12. August 2008 at 13:39

    Nee, watt schön. Soljanka habe ich bewußt noch nicht gegessen, glaube ich. Borschtsch schon – aber das kann ich ja nachholen, Rezept hab ich ja. Die Geschichte ist aber fast noch schöner!
    Vielen Dank für diesen Beitrag und die Teilnahme am Event!

  • Antworten
    Jutta
    12. August 2008 at 13:41

    PS: Schrippen? DDR-Brötchen von Bäcker Süpke probieren! Lohnt sich!

  • Antworten
    Frau Shopping
    17. August 2008 at 10:27

    Warum kein Letscho?
    Ohne Letscho ist es keine Soljanka :omasrezept:

  • Antworten
    howi
    17. August 2008 at 11:21

    Eins irritiert mich:
    In der Zutatenliste stehen 4 große Gwürzgurken gewürfelt, später kommen nochmal 5 Gewürzgurken dazu, die aber bei der Zubereitung keine Erwähnung mehr finden… :-

  • Antworten
    admin
    17. August 2008 at 15:15

    Hallo, Howi – danke für’s Aufpassen – die “zweiten Gurken” waren natürlich überflüssig und ich habe sie gestrichen.

    LG, Gabi

  • Antworten
    Familienfavoriten: Jürgens Quarktorte – mein Käsekuchen
    6. März 2022 at 13:01

    […] – zum Beispiel die Schüttelgurken, den Mohn-Schmand-Kuchen, die Quarkspitzen oder Soljanka. Vielleicht, weil das Hausmannskost in bestem Sinne des Worts ist und bei den Backwerken nicht an […]

  • Antworten